Armutsbekämpfung

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Es ist unsere gesellschaftliche Verantwortung und Aufgabe der Sozialpolitik, eine Existenzsicherung zu gewährleisten, am besten über eine Teilhabe am Erwerbsleben. Das umfasst auch die Verantwortung, Armut, die oftmals von Ausgrenzung und Scham begleitet wird, weiter zu bekämpfen. Wir haben uns deshalb zum Ziel gesetzt, durch verschiedene Maßnahmen in der kommenden Legislaturperiode den Anteil von armutsgefährdeten Menschen im ersten Schritt zu halbieren.

Die Bundesregierung bekennt sich zum Prinzip der Armutsbekämpfung und nimmt ihre Verantwortung wahr, die Möglichkeiten zu schaffen, ein eigenständiges und wirtschaftlich unabhängiges Erwerbsleben führen zu können. Denn existenzsichernde Arbeit, angemessene Löhne und entsprechende Pensionen haben eine präventive Wirkung: Sie verhindern, dass Menschen überhaupt erst in Armut geraten. Ein gerechter Lohn ist die Basis, dass Menschen ein gutes Leben führen können. Es gibt derzeit Bereiche in der österreichischen Wirtschaft, in denen Löhne gezahlt werden, die unter den niedrigsten Kollektivvertragslöhnen der gewerblichen Wirtschaft liegen. Diese Lücke soll unter Einbindung der Sozialpartner mit geeigneten Mitteln geschlossen werden. Erforderlichenfalls kann dieser Lückenschluss auch auf anderem Wege erfolgen. (z.B. durch das Bundeseinigungsamt). Auch im Bereich der bestehenden Kollektivverträge gibt es Fälle, in denen die Löhne bereits seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr angehoben wurden. Wenn eine sozialpartnerschaftliche Einigung zur Lösung dieses Problems nicht zustande kommt, soll die Möglichkeit geschaffen werden, eine Entscheidung durch das Bundeseinigungsamt herbeizuführen.

Österreich zeichnet sich durch ein Sozialsystem aus, auf das sich die Menschen in der Vergangenheit verlassen konnten, aber auch in Zukunft verlassen können, welches sie in Notlagen existenziell absichert, bestmöglich vor Armut schützt sowie die Chance bietet, neue Perspektiven zu entwickeln, anzustreben und zu erreichen. Das Sozialsystem ist daher als Schutzsystem zu begreifen und soll Erwerbsteilhabe fördern und unterstützen. Ziel ist sowohl die soziale Absicherung von durch Armut betroffenen Menschen als auch die Möglichkeit der Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben ohne Ausgrenzung und Diskriminierung.

Ein besonderes Augenmerk legt die Bundesregierung auf die Bekämpfung von Kinderarmut. Kein Kind darf in Österreich zurückgelassen werden. Besonders Alleinerziehende sind Mehrfachbelastungen ausgesetzt, die ihren Familienalltag erschweren, und können so leichter in armutsgefährdete Lebenslagen geraten. Deshalb sind bestehende Lücken im Unterhaltsvorschuss zu schließen. Wo Familien nicht selbst (z.B. durch Erwerbsbeteiligung) für die finanzielle Absicherung sorgen können, wird diese durch Sozialleistungen sichergestellt. Außerdem wird der Kindermehrbetrag des Familienbonus erhöht und allen Erwerbstätigen mit Kindern als Negativsteuer ausbezahlt.

Altersarmut kann aber nicht nur im Alter verhindert werden. Ein wichtiger Schlüssel dazu liegt in der Erwerbsphase. Die Bundesregierung wird daher zahlreiche Maßnahmen setzen, um Fraueneinkommen zu erhöhen. In der Pension kommen besonders auf Frauen oft finanziell sehr große Herausforderungen zu. Mit gezielten Maßnahmen für diese Gruppe wollen wir die Frauenaltersarmut mindern. Um Altersarmut v.a. von Frauen zu bekämpfen, überprüfen wir partnerschaftliche Formen der Elternteilzeit und Pensionssplittingmodelle.

Paket zur Armutsbekämpfung

  • Stärkung von Familien mit niedrigen Einkommen im Zuge der Steuerreform durch die Senkung des Eingangsteuersatzes bei der Einkommensteuer von 25% auf 20% sowie der Erhöhung der Untergrenze des Familienbonus von 250 auf 350 Euro pro Kind und des Gesamtbetrages von 1.500 auf 1.750 Euro pro Kind

  • One-Stop-Shop Ausbau für Erwerbsfähige und der aktivierenden Hilfe (Case-Management)

  • Abschluss einer 15a-Vereinbarung für die Betreuung von Sozialhilfebezieherinnen und -bezieher im Regelpensionsalter sowie Menschen mit Behinderungen durch die Pensionsversicherungsanstalt/das Sozialministeriumservice – Kostentragung wie bisher durch die Bundesländer

  • Energieeffizienzgesetz – Maßnahmen in Form von Sachleistungen (Beratung, Sanierung, Geräte tauschen), Frühwarnsystem

  • Einführung eines bundesweiten, praxistauglichen Kältetelefons

Bedarfsgerechte Ressourcen für unsere Schulen

  • Bereitstellung von Supportpersonal: Schulisches Unterstützungspersonal (administrativ und psychosozial) bedarfsgerecht aufstocken, damit sich Pädagoginnen und Pädagogen auf bestmöglichen Unterricht konzentrieren können

    • Mehr Support durch unterstützendes Personal (z.B. Schulsozialarbeit, Schulpsychologie, Assistenz, administratives Personal); klare Aufgabenteilung und Konsolidierung unterschiedlicher Aufgaben (und Titel) des Unterstützungspersonals

    • Unterstützendes Personal ist dienstrechtlich bei den Bildungsdirektionen anzudocken, soll aber als Teil des pädagogischen Teams an den Schulen agieren. Prüfung einer Verwaltungsvereinfachung durch Anstellung des neuen Supportpersonals bei einer Personalagentur des Bundes

    • Langfristige Absicherung der Finanzierung über den FAG und gesetzliche Vorgaben über den Bund

  • Schulen mit besonderen Herausforderungen stützen – Pilotprogramm an 100 ausgewählten Schulen in ganz Österreich umsetzen, die anhand eines zu entwickelnden Chancen- und Entwicklungsindex grundsätzlich infrage kommen:

    • Ursachenanalyse am Standort unter Einbeziehung aller Schulpartner; betroffene Schulen müssen ihre spezifischen Herausforderungen, Lösungsvorschläge, finanziellen Erfordernisse und angestrebten Bildungserfolge darstellen

    • Zusätzliche Ressourcen (Personal, Finanzierung) werden anhand klarer Kriterien an die ausgewählten Schulen vergeben, aufbauend auf einem individuellen Schulentwicklungsplan mit maßgeschneiderter Unterstützung

    • Autonome Umsetzung durch die Schulleitung, Begleitung durch Bildungsdirektion sowie wissenschaftliche Analyse

    • Prüfung bedarfsorientierten einer Mittelzuteilung auf Basis der Ergebnisse des Pilotprogramms

  • Prüfung der Einrichtung von Fonds für Schulveranstaltungen bei den Bildungsdirektionen. Damit soll benachteiligten Standorten geholfen werden, die Kosten für Schulveranstaltungen (Workshops, Ausflüge etc.) abzudecken – eventuell gespeist durch regionale Unternehmen.

  • Qualitätsvolle Bildung und Förderung von Anfang an und für alle Kinder

    • Wir setzen uns als Bundesregierung für eine Bund-Länder-Vereinbarung zum möglichst flächendeckenden, qualitätsvollen, VIF-konformen Ausbau elementarer Bildungsplätze ein (Kindergärten und Kinderkrippen für unter 3-Jährige) zur Erreichung der Barcelona-Ziele – inklusive der bedarfsgerechten Errichtung von Betriebskindergärten und -kindergruppen.

    • Der Zweckzuschuss in der 15a-Vereinbarung in der Elementarpädagogik wird ab dem Kindergartenjahr 2020/21 wesentlich erhöht.

    • Um den raschen weiteren Ausbau von qualitätsvollen Bildungsplätzen in elementarpädagogischen Bildungseinrichtungen sicherzustellen und den Betreuungsschlüssel zu verbessern, startet die Bundesregierung eine Ausbildungsoffensive für Elementar pädagoginnen und -pädagogen, insbesondere in den berufsbegleitenden Kollegs für Elementarpädagogik.

  • Weiterentwicklung von Fördermaßnahmen für Kinder mit Förderbedarf aus dem Kindergarten bei Eintritt in die Volksschule bis zur neuerlichen Überprüfung der Förderwürdigkeit. Das bestehende Schulreifescreening wird evaluiert.

  • Mehr Ferienbetreuung und Sommerunterricht für jene, die es brauchen, um Eltern zu entlasten

    • Mehr Förderstunden für Schülerinnen und Schüler am Nachmittag (unter Nutzung des bestehenden Systems der verpflichtenden Förderstunden)

    • Ausarbeitung eines Konzepts als Angebot für die Gemeinden zur verstärkten Einbeziehung der Eltern in die Sprachförderung (aktive Elternarbeit, „Mama lernt Deutsch“)

    • Fachliche und pädagogische Konzeption von speziellen Ferienangeboten sowie österreichweit einheitliche Angebotsumsetzung (z.B. Schwerpunktkurse, Praxiswochen, Unternehmenswochen, Sprach-, Sport- und Kulturangebote etc.) mit sozial gestaffelten Beiträgen (in Zusammenarbeit mit den Ländern)

  • Ausbau ganztägiger Schulen: Bedarfsgerechter Ausbau ganztägiger Schulformen zur Ermöglichung der Wahlfreiheit für Eltern. Ein unverschränktes bzw. verschränktes Angebot soll auch in jenen Regionen zur Verfügung stehen, in denen es dieses bisher nicht gibt.

  • Berufs- und Bildungsberatung für Jugendliche verbessern und österreichweite Talentechecks als Teil des Unterrichts für alle 14-Jährigen in unterschiedlichen Schulformen mit begleitender Beratung für Eltern einführen, unter Einhaltung höchster Datenschutzstan dards und Klärung der Datenrechte

Schnittstellen zu anderen Materien

  • Justiz

    • Evaluierung der letzten Novelle zum Insolvenzrecht

    • Verbesserung der Verbraucherinformation zum Basiskonto

  • Gesundheit

    • Bundes-Zielsteuerungskommission Entbürokratisierung: niederschwelliger Zugang zu Gesundheitsleistungen für alle

    • Vollfinanzierte Therapieplätze im Bereich Psychotherapie

    • Bessere Zahnleistungen gewährleisten

  • Menschen mit Behinderung

    • Überarbeitung der Unterhaltsklagsverpflichtung im ABGB im Bereich Menschen mit Behinderung

    • Absicherung von Menschen mit Behinderung

  • Bekenntnis zu konsumfreien Räumen

  • Sensibilisierungsstrategie im Umgang mit Minderheiten und Menschen am Rande der Gesellschaft

  • Überprüfung der Instrumente zur Messung und der politischen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung unter Vermeidung von Doppelgleisigkeiten

    • Einrichtung eines Unterausschusses „Armutsbekämpfung“

Gemeinnützigkeit, ehrenamtliches Engagement, Freiwilligentätigkeit und Zivilgesellschaft

  • Schaffung eines Ehrenamtsgütesiegels, um die freiwillige und zivilgesellschaftliche Arbeit und die dadurch erworbenen Qualifikationen (insbesondere bei jungen Menschen) zu zertifizieren, zu dokumentieren und gegebenenfalls bei Bewerbungen zu berücksichtigen

  • Einrichtung einer Koordinations-, Beratungs- und Servicestelle für Freiwillige, gemeinnützige Vereine, Stiftungen und soziale Unternehmen

  • Überprüfung der Abgrenzung von Ehrenamt und Freiwilligenarbeit von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung

  • Arbeitsgruppe mit betroffenen Stakeholdern zur Einrichtung eines eigenen Satellitenkontos in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, um auch die wirtschaftliche Bedeutung von gemeinnütziger, zivilgesellschaftlicher und freiwilliger Arbeit sichtbar zu machen

    • Arbeitsgruppe mit betroffenen Stakeholdern zur Einrichtung eines eigenen Satellitenkontos in der VGR, um unbezahlte Haus- und Familienarbeit sichtbar zu machen

  • Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts und steuerrechtlicher Rahmenbedingungen für Gemeinnützige unter Beteiligung von Vertreterinnen und Vertreter des betroffenen Sektors

  • Entwicklung einer nationalen Strategie für das Freiwilligenengagement („Stakeholder-prozess“)

  • Ausbau von Engagement fördernder Infrastruktur (z.B. Freiwilligenagenturen) in enger Abstimmung mit Ländern und Gemeinden (insbesondere für jüngere und ältere Menschen)

  • Evaluierung des Freiwilligengesetzes in Hinblick auf die Relevanz für alle Freiwilligen in Österreich

  • Gleichberechtigter Zugang gemeinnütziger Organisationen bei Start-up-, Innovations- und Digitalisierungsförderung

  • Anerkennung der Gemeinnützigkeit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und Förderungen

  • Verbesserung der Rechtssicherheit und Planbarkeit bei Erbringung gemeinwohlorientierter Leistungen (bei Förderungen)

  • Förderung von Innovationsprojekten im Bereich gemeinnütziger Arbeit und Partizipation

  • Inklusion und Integration in Zivilgesellschaft und Ehrenamt fördern

Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ)

  • Aufwertung des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) bei gleichzeitiger Attraktivität des Zivildienstes

    • Anhebung der Entschädigung für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer

    • Ersatz der Kosten für den öffentlichen Verkehr (kostenlose Österreichcard für FSJ-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer)

    • Allfällige Anrechnung des FSJ auf einschlägige Ausbildungen im sozialen Bereich

Gedenkdienst stärken

  • Aufwertung des Gedenkdienstes

  • Stärkung der Trägerorganisationen