“Offene Daten für ein besseres Österreich”

Blogbeitrag auf WerdeDigital.at von Sonja Fischbauer, Robert Seyfriedsberger und Johann Höchtl

Wissen ist ein ganz besonderer Rohstoff: Wissen vermehrt sich, wenn man es teilt. Im Gegensatz zu materiellen Gütern sind Informationen unbegrenzt verfügbar: Ein Datensatz, der zum Beispiel das heutige Wetter beschreibt, verliert nicht an Wert, wenn ihn mehrere Menschen verwenden. Im Gegenteil, der Datensatz wird sogar wertvoller, wenn man ihn ergänzt und mit anderen Informationen verknüpft.

Wissen ist eine ganz besondere Ressource: Es vermehrt sich, wenn man es mit anderen teilt. (BildurheberIn: Ansonlobo, eigenes Werk. Lizenz: CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Durch die Digitalisierung entstehen neue Herausforderungen: Für jeden einzelnen Menschen im persönlichen Alltag genauso wie für die Politik, Industrie, Wirtschaft und Forschung. Aber “Wissen” ist kein neues Thema der Digitalisierung – es war schon immer vorhanden, wurde mündlich verbreitet, in Bildern und Büchern. Neu ist, dass es jetzt so einfach ist wie nie zuvor, Wissen in der ganzen Welt zu verbreiten.

Doch wie schaffen wir möglichst vielen Menschen einen freien Zugang zu diesem unendlichen Rohstoff? Die Lösung: Wissen öffnen!

Openness” ist der Fachbegriff für das Prinzip, diesen freien Zugang und die freie Verwendung zu ermöglichen. Dabei gibt es offene Software (Open Source), offene Forschung (Open Science), offene Regierung (Open Government) und vieles mehr. In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit dem Thema offene Daten, oder: Open Data.

1) Was ist Open Data, und was bringt es uns?

Unter dem Begriff Open Data (offene Daten) versteht man nicht-personenbezogene Daten in maschinenlesbarer Form, die als kostenlose, öffentliche Ressource von jedem Menschen nutzbar sind – etwa um neue Startups zu gründen, Informationen zu gewinnen oder Abläufe im eigenen Unternehmen zu verbessern.

Offene Daten bzw. potentielle offene Daten lassen sich praktisch überall finden: In den Bereichen Verwaltung und Regierung ebenso in Wirtschaft, Kunst und Kultur, Wissenschaft und in der Zivilgesellschaft.

Die Möglichkeiten, die daraus entstehen, sind grenzenlos: Mit Open Data lassen sich Anwendungen erschaffen, die der Gesellschaft ebenso wie der Wirtschaft nutzen. (Eine ausführliche Definition lässt sich auf opendefinition.org nachlesen.)

Offene Daten….

… schaffen Vertrauen in die Verwaltung durch nachvollziehbare Verwendung von Steuermitteln. Legt die Verwaltung sämtliche Informationen offen, die durch Steuergelder finanziert werden (und die weder persönliche, noch sicherheitsgefährdende Daten enthalten), dann erlaubt diese Transparenz den BürgerInnen, sich aktiv damit auseinanderzusetzen. Durch die Möglichkeit, verwalterisches Handeln zu kontrollieren, steigt das Vertrauen in staatliche Institutionen.

… lassen die Wirtschaft wachsen, weil neue Ressourcen und Business-Modelle für Startups entstehen. Wenn Informationen – Daten, Erkenntnisse und Algorithmen – kostenfrei für eine breite Öffentlichkeit zugänglich sind, entsteht dadurch eine wertvolle neue Ressource. Dadurch fällt eine finanzielle Barriere weg, was besonders für Startups und (angehende) Entrepreneurs wichtig ist, um daraus neue und innovative Lösungen zu schaffen.

Aus Open Data lassen sich Spiele, Apps und Webanwendungen programmieren: Junge Menschen können mit offenen Daten nicht nur ihre technischen Fähigkeiten ausbauen, sondern auch ihr Bewusstsein für gesellschaftspolitisches Engagement stärken. (Foto: CC-BY 4.0 Luiza Puiu)

2) Was sagt die Politik dazu?

In der Europäischen Union (EU) ist das Thema Openness seit einigen Jahren von großer Bedeutung. Die EU hat in den letzten Jahren mehrere Strategiepapiere zu Open Source, Open Data und Open Science veröffentlicht, um die Realisierung des digitalen Binnenmarktes zu unterstützen.

In Österreich wird die Veröffentlichung von Open Data und Public Sector Information (PSI) derzeit allerdings sehr lückenhaft gehandhabt. Zwar gibt es die europäische PSI Richtlinie und das Informationsweiterverwendungsgesetz, jedoch sind das Gesetz und die Richtlinie in der österreichischen Verwaltung teils wenig bekannt und/oder kommen oft schlicht nicht zum Einsatz.

Das Thema Openness ist in Österreich auf verschiedenen Ministerien aufgeteilt. Damit wir jedoch etwas erreichen können, müssen alle zusammenarbeiten: Es bedarf einer ineinandergreifenden Strategie, die über ministerielle Zuständigkeitsgrenzen hinweg eine Vision der Offenheit und Transparenz bietet. Wir brauchen eine starke politische Openness-Agenda in Österreich: Bund, Länder und Gemeinden müssen sich mit den ExpertInnen aus der Zivilgesellschaft und der Forschung an einen Tisch setzen und eine gemeinsame Vision für Österreich ausarbeiten. In einem offenen Prozess, der auch die einzelnen BürgerInnen teilhaben lässt, gilt es konkrete Maßnahmen zu finden, um die Openness-Vision nachhaltig umzusetzen.

Bisher wurden in Österreich einige Projekte im Bereich Openness unterstützt, wie etwa die Open Data Portale data.gv.at und opendataportal.at, das Projekt e-infrastructures.at zur offenen Archivierung wissenschaftlicher Erkenntnisse oder geförderte Innovationsprojekte wie openinnovation.gv.at. Obwohl schon einiges geschehen ist, ist noch viel zu tun. Es sind weitere Anstrengungen erforderlich, die von der Politik beschlossen und mit finanziellen Mitteln gefördert werden müssen. Zur Umsetzung der europäischen digitalen Agenda und zur Unterstützung von nachhaltigem Wachstum brauchen wir konkrete Maßnahmen.

Zusammenarbeit und Austausch zwischen Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft, Politik und Verwaltung stehen im Vordergrund. (Bild: Der Transparenz-Kreislauf. CC-BY 3.0 AT. Sunlight Foundation, bearbeitet von Robert Harm.)

3) Neue Projekte: Die nächsten Schritte in eine bessere Zukunft

Im Folgenden zeigen wir einige Beispiele für Initiativen aus der Zivilgesellschaft, die sich bereits im Bereich Open Data engagieren. Diese Initiativen sind AnsprechpartnerInnen für mögliche “Leuchtturmprojekte”, die von der Politik unterstützt werden könnten, um eine nachhaltige Open Data Strategie in Österreich zu gewährleisten.

3.1. Amtsgeheimnis abschaffen und Informationsfreiheit in die Verfassung aufnehmen

“Open by default”: Die transparente Bereitstellung von Daten und Informationen muss zum Standard werden. BürgerInnen sollen sich darüber informieren können, welche Daten und Informationen von der Verwaltung verfügbar sind. Konkrete Möglichkeiten dafür sind ein Informationsregister nach slowenischem Vorbild, sowie die Einrichtung einer Schlichtungsstelle durch Informationsfreiheitsbeauftragte. Letztere ermöglicht den BürgerInnen, beim Wunsch nach Informationen nicht den Staat klagen zu müssen, wie es derzeit im österreichischen Gesetzesentwurf des Informationsfreiheitsgesetzes vorgesehen ist.

AnsprechpartnerIn 1) Forum Informationsfreiheit

Die zivilgesellschaftliche Initiative Forum Informationsfreiheit engagiert sich mit mehr als 13.000 UnterstützerInnen für das Ende des Amtsgeheimnisses und für ein Recht aller BürgerInnen auf Zugang zu Behördeninformationen.

Mit dem Motto “Gläserner Staat statt gläserner Bürger” setzt sich das Forum Informationsfreiheit für Informationsfreiheit, Open Data und mehr Transparenz in Politik und Verwaltung ein. Der Verein betreibt die Plattform FragDenStaat.at, über die BürgerInnen unkompliziert – und auf Wunsch öffentlich nachvollziehbar – Anfragen an Behörden richten können, und bietet auch Transparenz-Workshops für Gemeinden, interessierte Organisationen und Bürgerinitiativen an.

3.2 Offene Daten in der Privatwirtschaft fördern

Offene Datenportale, sowohl für Daten der Verwaltung als auch für Daten der Privat- und Zivilgesellschaft, sind Grundpfeiler der nationalen IKT-Infrastruktur. Dementsprechend müssen sie mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet werden, um den Betrieb nachhaltig und langfristig zu sichern und um sich durch konsequente Weiterentwicklungen auf internationalem Standard zu halten.

AnsprechpartnerIn 2) Open Data Portal Österreich

Auf opendataportal.at findet sich das zentrale Datenportal für Wirtschaft, Kultur, NGO/NPO, Forschung und Zivilgesellschaft.

Das Open Data Portal Österreich ist dabei die erste Anlaufstelle für die Privatwirtschaft. Die ExpertInnen bieten Beratung und Serviceleistungen rund um das Thema Daten an.
So begleitet etwa das aktuelle Programm Data Pioneers, in Kooperation mit dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, Unternehmen dabei, die Welt von Open Innovation und Open Data zu erkunden – und die daraus resultierenden Chancen zu nutzen. Dazu bieten die ExpertInnen vom Open Data Portal Österreich ineinander greifende Veranstaltungen und individuelle Betreuung für Unternehmen an.

3.3 Mit offenen Verkehrsdaten die Wirtschaft stärken

Zahlreiche Verkehrsunternehmen setzen schon jetzt auf Open Data, darunter die Wiener Linien, der Verkehrsverbund Ost-Region, der Steirische Verkehrsverbund und Graz Linien sowie die Linz AG. Auf lange Sicht müssen jedoch alle Verkehrsunternehmen des Landes offene Daten bereitstellen, um eine lückenlose, bundesweite Abdeckung sicherzustellen. Hier ist es wichtig, den politischen Rahmen zu schaffen, der eine österreichweite Freigabe sämtlicher Fahrplan- und Echtzeit-Daten der Verkehrsauskunft Österreich (VAO) ermöglicht.

Mit der VAO, die von den einzelnen Verkehrsverbünden zentral mit Daten beliefert wird, gäbe es erstmals die Möglichkeit, auf einen Schlag offene Verkehrsdaten für ganz Österreich bereitzustellen – diese Chance sollte genutzt werden. Die Grundlage dazu lässt sich schon im Arbeitsprogramm der Österreichischen Bundesregierung 2013 -2018 nachlesen: “Verkehrsauskunft Österreich: Eine verkehrsträgerübergreifende und auf Echtzeit-Daten basierende Verkehrsauskunft für ganz Österreich soll umgesetzt werden”. Von einer solchen Umsetzung profitieren die ÖsterreicherInnen in vielerlei Hinsicht:

    • • Förderung der lokalen Wirtschaft: Mit offenen Daten der Wiener Linien entstanden bereits über 30 Apps, meist von EntwicklerInnen mit regionalem Bezug.

 

    • • Mehrwert für den Tourismus: Das in Österreich so flächendeckend ausgebaute öffentliche Verkehrsnetz ist für Millionen von TouristInnen die Google, Bing oder Apple Maps verwenden, nicht sichtbar. Werden Verkehrsdaten als Open Data in internationalen Standardformaten zentral publiziert, können diese Anbindungen geschaffen werden. Der Fokus liegt dabei auf Openness. Exklusive Vereinbarungen, wie etwa die ÖBB sie mit Google geschlossen hat, sind kontraproduktiv.

Ein Beispiel dafür, wie gut die Zusammenarbeit der Länder funktionieren kann ist basemap.at, die Verwaltungskarte für Österreich, die bereits als Open Data verfügbar ist. Die Prozesse dahinter könnten der VAO als Vorbild dienen.

AnsprechpartnerIn 3) Initiative Offene Öffis

Die Initiative Offene Öffis beschäftigt sich mit diesem Anliegen und hat bereits Lösungsansätze für die VAO ausgearbeitet, um eventuelle Hürden bezüglich des aktuellen Geschäftsmodells zu überwinden.

Zahlreiche neue Mobilitäts-Apps können durch Open Data entstehen. (Screenshot via offene-oeffis.at)

3.4 Kosten senken durch offene Adressdaten

Adressdaten sind in Österreich zwar kein Geheimnis, aber sie sind noch nicht „offen“ im Sinn von Open Data: kostenlos, online frei zugänglich, in einer einheitlichen Schreibweise.

Gesicherte Adressdaten reduzieren unterschiedliche Schreibweisen bei der Adressierung von BürgerInnen und Wirtschaftstreibenden, die zu Inkonsistenzen in Datenbanken und zu zusätzlichen Aufwänden in IKT-Systemen führen. Eine national einheitliche, behördlich gesicherte und laufend aktualisierte freie Adressdatenbasis als Download und über eine Schnittstelle (API) könnte sowohl behördenintern, als auch von der Wirtschaft, zur Steigerung der Interoperabilität und Reduktion der Kosten beitragen.

Egal ob Wohnbauten, öffentliche Gebäude, Parkanlagen, Bürokomplexe oder Orte mit geschichtlicher Bedeutung – alle lassen sich leichter finden, vergleichen und zusammenstellen, wenn es dazu offene Adressdaten gibt. (Bild: Karte von St. Pölten, 1821, Public Domain, via Wikimedia Commons).

AnsprechpartnerIn 4) Offene Adressen.at

Die Initiative Offene-Adressen.at hat eine Schnittstelle (API) zur Abfrage der Daten des offiziellen österreichischen Adressregisters geschaffen. Durch eine solche Schnittstelle können EntwicklerInnen die Adressdaten direkt in ihre Services, Apps und Websites einbauen.

3.5 Mit Hackathons die Daten-Kompetenz junger Menschen stärken

Als Ergänzung zur schulischen Ausbildung können Freizeitveranstaltungen maßgeblich die Kreativität und das Potential der jungen Generation im Umgang mit der Digitalisierung stärken. Dabei bietet sich das Format eines “Hackathons” an.

Open Data Hackathons bestärken junge Menschen darin, mit ihren eigenen Fähigkeiten die Welt zu verbessern. Erwachsene MentorInnen stehen den Jugendlichen zur Seite beim Young Coders Festival 2014. (Foto: CC-BY 4.0 Luiza Puiu)

Hackathon = hacken + Marathon
Ein Hackathon ist ein offenes Veranstaltungsformat, bei dem die TeilnehmerInnen für einen begrenzten Zeitrahmen (ein Nachmittag, ein Tag, ein Wochenende, …) zusammenkommen, sich austauschen und zusammenarbeiten, um ein kniffliges Problem zu lösen, sprich: zu hacken.

Gesellschaftlicher Anspruch: Nicht nur Programmieren lernen, sondern die Welt verbessern. Hackathons bieten die Möglichkeit, bei den TeilnehmerInnen ein Bewusstsein für gesellschaftliche Zusammenhänge zu schaffen. Wichtig sind dabei gemeinsames Arbeiten in einer geschützten, freundschaftlichen Atmosphäre und die bunte Vielfalt einer durchmischten TeilnehmerInnengruppe.

AnsprechpartnerIn 5) Open Knowledge Österreich

Open Knowledge Österreich setzt sich für offenes Wissen ein und bietet Expertise im Bereich Open Data und Hackathons.

Der Verein Open Knowledge Österreich bietet mit dem Young Coders Festival (Jugendliche experimentieren für ein Wochenende mit offenen Daten) und Jugend hackt (ein ganzjähriges Community-Programm) Beispiele für solche Programme.

Diese Liste ist bei weitem nicht vollständig: Es gibt zahlreiche engagierte Initiativen, Vereine und Projekte, die sich mit dem Thema Open Data in Österreich beschäftigen und seit Jahren großartiges leisten. Doch wir denken auch, dass es noch viel mehr Potential für Open Data in Österreich gibt.

Fest steht: Mit dem digitalen Wandel sind wir gezwungen, unsere Gesellschaft umzukrempeln. Openness ist die Methode, die uns diesen Wandel nachhaltig, transparent und für alle zugänglich ermöglicht. Dazu brauchen wir Unterstützung auf politischer Ebene genauso wie aus der Forschung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft – engagierte Menschen, die sich für eine bessere Zukunft einsetzen.

 

Bio:
Robert Harm ist Mitbegründer des Netzwerkes open3.at zur Förderung von Open Society, Open Government und Open Data in Österreich.

Johann Höchtl arbeitet am Zentrum für E-Governance der Donau-Universität Krems und beschäftigt sich mit den Chancen und Herausforderungen von Technologieeinsatz für Gesellschaft und Verwaltung. Offene und große Daten sind ihm ein besonderes Anliegen.

Sonja Fischbauer arbeitet selbstständig im Bereich Online-Kommunikation. Sie entwickelt Outreach-Strategien für Unternehmen und Forschungsprojekte und organisiert Hackathons. Bei Open Knowledge Austria engagiert sie sich für eine offene Wissensgesellschaft.

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